Frühjahrsgespräch in der Stiftung Eben-Ezer

Bis zum Jahr 2050 wird sich die Zahl der über 65-Jährigen in Deutschland von heute 13 Millionen auf dann 26 Millionen verdoppelt haben. Dann werden 50 Prozent der Deutschen älter als 50 Jahre sein, darunter eine gestiegene Zahl von Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen und erhöhtem Hilfebedarf sowie ältere Menschen mit Behinderungen. "Das Problem ist, dass unsere älter werdende Gesellschaft nicht genügend darauf vorbereitet ist, die Bedürfnisse und Interessen der Älteren zu berücksichtigen, ganz besonders nicht jener mit Behinderung", sagte die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen Karin Evers-Meyer in der Stiftung Eben-Ezer in Lemgo. Hier diskutierten gestern Vertreter von Behindertenhilfe, Kirche, Diakonie, Caritas und Politik über aktuelle Entwicklungen der Behindertenhilfe und deren Finanzierungsmöglichkeiten.

Rund 150 Gäste waren der Einladung Eben-Ezers zum Vortrag von Karin Evers-Meyer und der anschließenden Diskussion unter der Themenstellung "Demographische Entwicklung und aktuelle Herausforderungen für die Behindertenhilfe" gefolgt. Gemeinsam erörterten sie das Spannungsfeld zwischen dem Recht auf Teilhabe und dem Bedarf behinderter Menschen einerseits und langfristig gesicherter Finanzierung andererseits. Die Diskussion zeigte , dass derzeit die Zuständigkeit zur Kostenübernahme noch allzu häufig ungeklärt ist und hin und hergeschoben wird, zum Beispiel zwischen Pflegeversicherung und Eingliederungshilfe. Die Leistungserbringer müssten gemeinsam mit den Kostenträgern nach neuen Wegen und Möglichkeiten suchen, die den Menschen und ihren Bedürfnissen gerecht werden und den Anstieg der Kosten in der Eingliederungshilfe stoppen. Karin Evers-Meyer plädierte für ein Umdenken im Umgang mit Pflegebedürftigkeit und Behinderung. "Die Frage ist nicht in erster Linie, was es kostet, sondern was es uns wert ist", betonte die Politikerin. Besonders hoch bewertet sie den Einsatz der Mitarbeitenden, die schwerst- und mehrfachbehinderte Menschen in stationären Einrichtungen betreuen. "Aufgrund des niedrigen Personalschlüssels und der Schwere ihrer Aufgaben sind die Betreuer in den Intensivpflegebereichen doppelt belastet. Dennoch geht die Bereitschaft gerade hier oft weit über das geforderte Arbeitspensum hinaus." Evers-Meyer weiß aus vielen offenen Gesprächen, dass Mitarbeiter zum Beispiel freie Tage opfern, um den Bewohnern einen Urlaub oder eine Freizeit zu ermöglichen. Für die oft stark in ihrer Mobilität und Wahrnehmungsfähigkeit eingeschränkten Menschen bedeutet das ein enormes Plus an Lebensqualität.

Unumstritten ist allerdings, dass bei mehr zu betreuenden Menschen Umsteuerungen in der Finanzierung auf den Weg gebracht werden müssen. Eine Entspannung könnten der Ausbau des ambulanten Sektors und die persönlichen Budgets bringen, die Anfang 2008 verbindlich eingeführt werden sollen. Damit besteht zumindest auf lange Sicht die Möglichkeit, die Kosten in den Griff zu bekommen. "Persönliche Budgets können dann sinnvoll sein, wenn sie die Selbstbestimmungsmöglichkeiten für behinderte Menschen erhöhen, sind aber problematisch wenn sie als Einsparungsinstrument benutzt werden und durch eine geringe finanzielle Ausstattung zu einer Einschränkung der individuell notwendigen Hilfen führen", lautete die Einschätzung von Britta Anger, Geschäftsführerin im Diakonischen Werk Westfalen in Münster.

Kurzfristig werden sich durch Ambulantisierung und Einführung persönlicher Budgets keine Einsparungen ergeben, da doppelte Strukturen bereit gehalten werden müssen. Auch wird es immer eine große Zahl an Menschen geben, für die die neuen Modelle nicht geeignet sind: "Für Menschen mit einem sehr hohen Pflegebedarf ist die Forderung "ambulant vor stationär" kein Thema. Sie brauchen dauerhaft eine kontinuierliche Betreuung", so Udo Zippel, Kaufmännischer Vorstand der Stiftung Eben-Ezer.

Fazit: Eine menschenwürdige und bedarfsgerechte Betreuung von Menschen mit Behinderungen ist heute und in Zukunft nicht für weniger Geld zu haben. Auch vor dem historischen Hintergrund des Nationalsozialismus ist es nicht vertretbar, auf Kosten behinderter und auf Hilfe angewiesener Menschen zu sparen.

Ort: Stiftung Eben-Ezer

Hinweis: Dieser Termin ist bereits abgelaufen.

Zurück