Gegen das Vergessen
Ohne Herkunft keine Zukunft. Ohne Vergangenheit keine Gegenwart. Die Stiftung Eben-Ezer, vertreten durch den Vorstand, setzt für die Erforschung und Aufarbeitung der eigenen Geschichte Ressourcen ein. Sie stellt sich auch den problematischen Seiten der eigenen Geschichte. Mit Publikationen und Veranstaltungen initiiert Eben-Ezer Diskussionen und die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und positioniert sich so gesellschaftlich in der Gegenwart.
2012 erscheint die Festschrift zum 150-jährigen Bestehen der Stiftung. Im Fokus stehen die zeitspezifische Wahrnehmung und Pflege von geistig und seelisch behinderten Menschen. Da die meisten Bewohnerinnen und Bewohner der Einrichtung bis weit in die 1970er Jahren hinein aus klein- und unterbäuerlichen Verhältnissen stammten und auf vielseitige Unterstützung angewiesen waren, bildete die soziale Frage in Lippe den gesellschaftspolitischen Rahmen.
Aus ähnlichen Verhältnissen stammte sowohl einer der Begründer der Einrichtung, der Lehrer Simon August Topehlen, als auch die erste betreute Person, das an Epilepsie leidende achtjährige Mädchen Henriette Ludolph.
2017 gibt die Stiftung ein digitales Gedenkbuch für die Opfer des „Euthanasie“-Systems der Nationalsozialisten aus Eben-Ezer in Auftrag. Eine Gedenkstele mit den Namen von 36 Menschen, die von Eben-Ezer aus zunächst in die Heil- und Pflegeanstalt Warstein gebracht wurden, erinnert an ihr Schicksal. Mit einem Fachtag und einem Gedenkgottesdienst stellt sich Eben-Ezer der eigenen schuldhaften Geschichte.
2019 erscheint die Biografie des Heilpädagogen Herbert Müller ( 1906 bis 1968) Herbert Müller war ab 1928 als Lehrer, Erzieher und Pfleger in der Heil- und Pflegeeinrichtung Eben-Ezer tätig. Von 1932 an war er Leiter der Anstaltsschule, von 1939 bis zu seinem Tod 1968 leitete er die Anstalt Eben-Ezer. Das von ihm geprägte heil- und sonderpädagogische Profil Eben-Ezers erfuhr während des NS-Regimes gravierende Änderungen. Müller war kein überzeugter Nationalsozialist, sah sich aber zum Mitmachen verpflichtet und trat 1937 der NSDAP bei. Zu dieser Einschätzung kommt nach umfangreichem Aktenstudium und Gesprächen mit Zeitzeugen der Autor und Historiker Dr. Frank Konersmann.
Mit einem weiteren digitalen Gedenkbuch für die Opfer von Zwangssterilisation würdigt die Stiftung das Schicksal von Menschen, die als „fortpflanzungsgefährlich“ eingestuft wurden und Operationen ausgesetzt wurden, die einige von ihnen mit langfristigen seelischen und körperlichen Schäden einhergingen und die manche von ihnen mit ihrem Leben bezahlten. Der ehemalige Sonderpädagoge Heinrich Bax hat zum Thema Zwangssterilisation in Lippe geforscht und sich nachdrücklich für die Aufarbeitung der Biografien von Menschen eingesetzt, die Opfer der Zwangssterilisation wurden.
Mit einem weiteren Fachtag setzte die Stiftung die Aufarbeitung ihrer Geschichte fort. An dem Fachtag nahmen neben den Autoren Dr. Frank Konersmann und Heinrich Bax auch Studierende der Fachhochschule der Diakonie teil. Mit ihrem Dozenten Reinhard Neumann haben sie sich mit dem Schicksal von jungen Menschen auseinandergesetzt, die Opfer von Zwangssterilisation geworden sind. Ihre Forschungsergebnisse stellten sie in Form eines Film vor.