Fachtag in Eben-Ezer: Theorie und Praxis, Impulse für den Weg zur Inklusion
Das Berufskolleg und der Bereich Kindertageseinrichtungen der Stiftung pflegen eine enge Zusammenarbeit und den Austausch auf theoretischer und praktischer Ebene. Das Ziel: die fundierte, aufeinander abgestimmte Erziehung, Bildung und Förderung von Kindern. Alle Kindertagesstätten der Stiftung betreuen und fördern behinderte und nicht behinderte Kinder. Standortbestimmung und Ziele, praktische Ansätze in den Kitas und das dahinter stehende Konzept der Stiftung waren Inhalt des Fachtages, den die Leitungen des Bereichs Kindertageseinrichtungen Sabine Menzel und der Leiter des Berufskollegs Klaus R. Berger kürzlich in der Stiftung organisierten. Teilgenommen haben Mitarbeiterinnen der 16 Kindertageseinrichtungen der Stiftung, angehende Heilerziehungspfleger und -pflegerinnen sowie Schülerinnen und Schüler, die gleichzeitig mit der Ausbildung zum Erzieher auch das Abitur am Berufskolleg der Stiftung anstreben. Außerdem besuchten Eltern und Vertreter lippischer Jugendämter die Veranstaltung mit Vorträgen, Diskussionen und Workshops.
Der Erziehungswissenschaftler und Lehrer am Berufskolleg Eben-Ezer Kai Züchner hob Zeitpunkte hervor, an denen das Menschenbild und der Umgang mit behinderten Menschen jeweils eine deutliche Wandlung erfuhr. Seit vier Jahren etwa steht der Begriff Inklusion im Zentrum, also die Zugehörigkeit von Menschen mit und ohne Behinderungen in allen Bereichen des Gemeinwesens. Klaus R. Berger und Kai Züchner gingen auf den dafür notwendigen Prozess des Umdenkens in der Gesellschaft ein und die Notwendigkeit, Vorurteile und tendenziell ablehnende Vorbehalte auch bei sich selbst zur Kenntnis zu nehmen. Erst dann könne man mit diesen arbeiten und sie reflektieren.
Hans Joachim Maier, Referatsleiter beim Diakonischen Werk Rheinland/ Westfalen Lippe (DWRWL) ist dort für den Schwerpunkt "Gemeinsame Erziehung" zuständig. Maier sah insgesamt die Entwicklung der Kindertageseinrichtungen in Richtung gemeinsame Erziehung auf einem guten Weg, bemängelte aber die unzureichende finanzielle Ausstattung, warnte die Politik, Inklusion als Tarnkappe für Sparvorhaben zu benutzen und empfahl den Verantwortlichen in der Landespolitik, Gesetzesvorlagen erst nach dem Gespräch und der Beratung mit den Beteiligten und Fachleuten auszuarbeiten. Pauschalfinanzierung sei nicht die Lösung, meinte der engagierte Referent.
Sabine Menzel stellte in ihrem Vortrag das "inklusive" Konzept des Bereichs Kindertageseinrichtungen der Stiftung zur gemeinsamen Erziehung vor. Kernstück ist die Zusammenarbeit und Abstimmung aller, die an der Förderung und Erziehung der Kinder beteiligt sind .Seit einem Jahr gehört zum Bereich Kindertageseinrichtungen in der Trägerschaft Eben-Ezers ein eigener Fachdienst. Dieser setzt sich aus einer Motopädin, einer Kunsttherapeutin, die sich zur Zeit in der Ausbildung zur Kinder- und Jugendpsychotherapeutin befindet, und einer Sozialpädagogin zusammen. Der Fachdienst steht allen Kitas zur Beratung, Diagnostik und Durchführung von Angeboten zur Verfügung. Eine weitere Säule des Konzepts sind die interdisziplinären Fallgespräche, in denen alle Förderangebote aufeinander abgestimmt werden. Im Mittelpunkt steht das Kind. Alle Beteiligten - Eltern, Kita-Mitarbeiterinnen, der Fachdienst sowie externe Therapeuten und Ärzte - arbeiten mit dem Ziel zusammen, das Kind bestmöglich zu fördern. Die Kindertageseinrichtungen greifen dabei auch auf die Förder- und Therapieangebote der Dienste Eben-Ezers zurück. Alle Kitas verstehen sich als niederschwelliges Angebot im Sozialraum, die das Zusammenleben bereichern und gemeinsam mit den Eltern nach Lösungen suchen, wenn es Probleme gibt.
Aus allen Vorträgen ging hervor: Inklusion als gesellschaftliche Entwicklung braucht ebenso wie die Umsetzung im Alltag viel Zeit, Geduld und die Bereitschaft, Dinge auszuprobieren. Professionalität und eine gute finanzielle Ausstattung sind unverzichtbar, wenn der Weg zur Inklusion langfristig gangbar gestaltet werden soll.
Auf dem Podium diskutierten die Referenten/Referentinnen gemeinsam mit der Kita-Leiterin Monika Fabri aus Bad Salzuflen und Katja Koch, Mutter eines Kita-Kindes, mit Beteiligung aus dem rund 160-köpfigen Publikums. Anhand eines konkreten Beispiels wurden Chancen und Risiken anschaulich. Die Kita Bad Salzuflen besucht auch ein Junge mit frühkindlichem Autismus, der nicht spricht, sondern mit Körpereinsatz Kontakt sucht. Frau Koch bemerkte, dass ihre Tochter ängstlich reagierte, wenn der Junge in Erscheinung trat. Die Mutter sprach die Mitarbeiterinnen in der Kita darauf an und war bereit, den Prozess der Inklusion dieses Jungen mit zu tragen. "Meine Tochter ist daran gewachsen, der Junge ist heute ein Freund meines Kindes", sagt sie. Dieser Prozess ist nicht einfach und noch nicht abgeschlossen. Angelika Fabri leitet die Kita seit 23 Jahren und schilderte die Forderung, verschiedene Positionen und Interessen auszugleichen und zu verbinden: das Bedürfnis der Eltern, ihren Jungen in einer Kita mit anderen Kindern aufwachsen zu lassen, die Interessen der Eltern, die Sorge um ihre Kinder haben, die Beanspruchung der Mitarbeiterinnen, die Berücksichtigung der Aufsichtspflicht und die Gewährleistung, dass alle Kinder unversehrt bleiben. In sieben Workshops am Nachmittag des Fachtages hatten die Teilnehmer Gelegenheit, sich über Konzepte und Techniken auszutauschen und Bewegungsangebote kennenzulernen, die das Zusammenspiel von behinderten und nicht behinderten Kindern fördern.
Diese Fachveranstaltung mit Fortbildungscharakter kam bei den Teilnehmenden sehr gut an. Weitere Fachtage zu verschiedenen pädagogischen Themen sollen folgen.