Eben-Ezer stellt Festschrift zum Jubiläum vor

Rund drei Pfund ist sie schwer, in attraktivem Grün – der Logo-Farbe Eben-Ezers – erscheint die frisch aus der Druckerpresse gelieferte Festschrift zum 150-jährigen Jubiläum der diakonischen Stiftung Eben-Ezer. "Für ein Leben in Vielfalt" so lautet der Titel und der Untersatz "Historische Einblicke und Einsichten in 150 Jahre Stiftung Eben-Ezer (1862-2012)" macht deutlich, um welch großen, geschichtsträchtigen Zeitraum es sich handelt. Die Gründung des Kaiserreichs, zwei Weltkriege, die große Inflation der 1920er Jahre und das NS-Regime sind nur einige der Herausforderungen, mit denen die Verantwortlichen konfrontiert waren.

Im Fokus der Festschrift stehen die zeitspezifische Wahrnehmung und Pflege von geistig und seelisch behinderten Menschen. Die Festschrift fußt auf gründlichem Quellenstudium und räumt mit mancher Legende auf. Sie beleuchtet nicht nur die Geschichte der Stiftung, sondern auch die soziale Frage in Lippe, die mit den politischen Vorgängen und gesellschaftlichen Entwicklungen in Deutschland eng zusammenhängt. Den größten Teil der Arbeit, dieses 399 Seiten umfassende Werk zu erstellen, leistete der Bielefelder Historiker und Archivar der Stiftung Dr. Frank Konersmann. Neben ihm sind sieben weitere Autoren/innen, darunter aktive und ehemalige Mitarbeiter sowie Gastautoren wie der Leiter des Lemgoer Museums Jürgen Scheffler mit Beiträgen vertreten.

Der Vorstand der Stiftung hatte 2008 beschlossen, das Jubiläumsjahr zum Anlass zu nehmen, die geschichtlichen Zusammenhänge, in denen die Arbeit Eben-Ezers für behinderte Menschen ihre Anfänge genommen und durch die Zeiten hindurch ihre heutige Gestalt gefunden hat, zu erschließen und Dr. Konersmann mit dieser Aufgabe zu betrauen. Mit der Festschrift, die gleichsam als Chronik verstanden werden kann, ist ihm dieser Brückenschlag eindrücklich gelungen. "Wir sind dankbar für diese profunde wissenschaftliche Arbeit. Es hat uns überzeugt, wie Dr. Konersmann unser Anliegen aufnehmen und umsetzen konnte, die 150-jährige Geschichte Eben-Ezers in gründlicher Weise in den Kontext der Zeitgeschichte, der Sozialgeschichte, der Kirchen- und Glaubensgeschichte und der Diakoniegeschichte einzuordnen", so Pastor Hermann Adam, Theologischer Direktor.

"Die Festschrift bietet die Grundlage für weiter führende Diskussionen. Sie weist auft offene Fragen hin und lädt dazu ein, an dem einen oder anderen Punkt tiefer zu bohren", gab der Kaufmännische Vorstand Udo Zippel im Rahmen eines Pressegesprächs zu bedenken. Zum Beispiel sei der Aspekt "Hunger in Zeiten des Zweiten Weltkrieges", und was dieser Lebensumstand für so genannte "Unheilbare" bedeutete, auch für Eben-Ezer noch nicht abschließend erforscht. Mit spannenden Beispielen gelingt es mit diesem Werk, den großen historischen Bogen von der Anfangszeit bis heute zu spannen. Dabei zeigte sich, dass die beiden Strömungen, von denen einer der Stiftungsgründer Simon August Topehlen geprägt war, nämlich die Erweckungsbewegung und der pädagogische Philanthropismus, gerade in dieser Kombination als Katalysatoren für ein soziales Denken und Handeln dienten. Diese machten die Entwicklung der Stiftung erst möglich.

Dr. Konersmann, der zu Beginn der über vier Jahre dauernden Forschungsarbeiten nur auf eine sehr dünne Quellenlage bauen konnte, machte sich mit wissenschaftlichem Eifer an die Sisyphosarbeit der Aktensichtung und Aktenerschließung. Das Archiv der Stiftung Eben-Ezer, das Stadtarchiv von Lemgo und das Staatsarchiv Detmold gaben nach und nach ein Puzzleteil nach dem anderem frei, bis sich ganz allmählich ein stabiles Gerüst an Daten heraus bildete, auf das er bauen konnte. "Die Niederschrift begann erst Anfang 2012, dann aber unter Volldampf. Das Käuzchen war zuletzt mein einziger Begleiter durch die Nacht", so Dr. Konersmann schmunzelnd. Wichtig ist ihm der Hinweis auf die ergebnisoffene Herangehensweise :"In der Festschrift geht es auch um die Vermittlung eines historischen Blickes, d.h. die Leser sollen möglichst ein Gefühl für die Bedingtheit und die Zusammenhänge der Vorgänge entwickeln, die einen Abstand zu eindeutiger Kategorisierung und Bewertungen herstellen. Dennoch ist natürlich nicht alles relativ, sondern es werden auch Fakten angeführt, die eine Beurteilung erlauben. Aber wir liefern keine in Stein gemeißelten Wahrheiten, andere Sichtweisen sind möglich und erwünscht." Außerdem weist er auf die außerordentlich hohe Qualität des Bildmaterials hin, die sich erst nach einer professionellen Bearbeitung einstellte. Einige der ausdrucksstark inszenierten Bilder wurden so noch nie veröffentlicht. Nach Ansicht Pastor Adams gehört die Festschrift in das Bücherregal jedes an Geschichte interessierten Lippers, sie dient aber auch als Arbeits- und Diskussionsgrundlage für Mitarbeiter, Interessierte und Partner. Und Pastor Adam fügt hinzu: "Wir halten hier ein Standardwerk in den Händen, das nicht nur für Lemgo und Lippe Relevanz hat, sondern im Bestand aller einschlägigen Fachbibliotheken gelistet werden wird".

Die Festschrift "Für ein Leben in Vielfalt" ist im Verlag für Regionalgeschichte erschienen und findet sich im Verzeichnis der hiesigen Bibliotheken und Archive. Die Festschrift kostet 24,00 Euro und ist im Buchhandel sowie in der Öffentlichkeitsarbeit und an der Pforte der Stiftung in Neu Eben-Ezer erhältlich. Am 1. Dezember beim Weihnachtsmarkt steht Dr. Frank Konersmann selbst am Büchertisch und beantwortet gern Fragen zur Geschichte.

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