Demokratie barrierefrei machen
Menschen mit Handicap brauchen niederschwellige Informationen zu politischen Fragen. Bereits zum dritten Mal hat bei eeWerk, der Werkstatt von Eben-Ezer für Menschen mit Behinderungen, eine Veranstaltung mit den Bundestagskandidaten des Wahlkreises Lippe I vor einem interessierten und nachfragenden Publikum stattgefunden. Der Werkstattrat hatte Fragen vorbereitet, denen sich Kerstin Vieregge (CDU), Robin Wagener( Grüne), Christian Sauter (FDP), Walter Brinkmann ( Die Linke) und- in Vertretung für Jürgen Berghahn- Marianne Rautenberg (SPD) stellten. Krankheitsbedingt abgesagt hatte Udo Hemmelgarn von der AFD. Waren bei den letzten Wahlen Europa- und Bundestagswahlen Menschen mit geistiger Behinderung noch pauschal vom Wahlrecht ausgeschlossen, ist dieser Ausschluss seit 2019 aufgehoben. Es ging für die Kandidat*innen also auch um Stimmen.
Die erste Frage an die Politiker*innen betraf die Zukunft der Werkstätten. In der politischen Diskussion zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen steht die Frage, ob Werkstätten der optimale Weg zur Teilhabe am Arbeitsleben sind. Gleich zu Anfang der knapp zweistündigen Veranstaltung wurde ein Film gezeigt, der einen Alltag bei eeWerk spiegelt. Auch schwer behinderte Menschen haben in NRW einen Anspruch auf einen Werkstattplatz. Wie wichtig das für die Menschen ist, zeigt der Film eindrucksvoll. Alle Politiker*innen unterstrichen die Bedeutung von Inklusionsunternehmen und Arbeitsplätzen für behinderte Menschen in Unternehmen, stellten aber gleichzeitig das Existenzrecht der Werkstätten nicht in Frage. Wie man Unternehmen des ersten Arbeitsmarktes dazu motivieren kann, mehr Menschen mit Behinderungen einzustellen, wurde recht unterschiedlich gesehen. Christian Sauter von der FDP wollte Unternehmern mehr dafür begeistern und Anreize setzen. Robin Wagener von den Grünen sprach sich eher für Belohnung und Strafe aus.
Als Knackpunkt und Anliegen an die Politiker, sich dessen anzunehmen, formulierte Moderator und Werkstattleiter Markus Toepffer das Entgeltsystem der Werkstätten. An die jüngste Anhebung der Vergütung für Auszubildende, so auch für Teilnehmer*innen im Berufsbildungsbereich, ist auch der Grundbetrag für alle anderen behinderten Beschäftigten gekoppelt. Der muss allerdings erwirtschaftet werden. Das erzeugt eine Unwucht im Entgeltsystem zu Lasten der – trotz Handicaps - produktiveren Kollegen mit Behinderung und das nicht nur bei eeWerk. Weitere Themen waren Klimaschutz durch erneuerbare Energien und die Renten. Von der Rente soll man leben können. Das war Konsens. Für 53 Prozent vom letzten Gehalt stehe die CDU, sagte Kerstin Vieregge. Für eine Rentenversicherung, in die alle einzahlen, vom Beamten über Arbeitnehmer bis zum Selbstständigen sprach sich der Vertreter der Grünen aus. Linke und SPD wollen mehr Abgaben von Vermögenden für die Sicherung der Sozialsysteme. Christian Sauter brachte Aktienpakete als Beitrag zur Altersvorsorge ins Gespräch. Mit einer offenen Fragerunde zu verschiedenen Themen klang die Veranstaltung aus. Bei der Frage, wann wir aus der Corona-Situation wieder zurück zu einem sorgloseren Alltag kommen, mussten alle Politiker*innen mit der gleichen Ungewissheit antworten.